Gedanken zum Start

  • Guten Morgen,


    nachdem ich in den letzten Tagen einige Beiträge gelesen habe, in welchen die Art und Weise kritisiert wurde, wie man auf Eskalon, oder auch generell im Gothic Multiplayer, mit neuen Charakteren startet, kam ich nicht umhin, mir einige Gedanken zu dem Thema zu machen.


    Da ich die geäußerte Kritik, vor allem die von Ashaara, in großen Teilen gut nachvollziehen kann, habe ich beschlossen auch selbst etwas dazu zu schreiben.

    Bevor ich meine Gedanken preisgebe, möchte ich einmal erwähnt haben, dass ich sehr zufrieden mit der Arbeit der Startposten, wie auch beeindruckt von den technischen Fortschritten hier, bin. Die folgende Kritik soll sich also weder an Spieler, noch an Entwickler richten, sondern sich mit dem zugrunde liegenden Konzept befassen.


    Der Beginn einer Geschichte im Gothic Multiplayer ist in solcher Art stark vom Singleplayer geprägt, als dass man stets als ein Niemand, ohne Können und ohne Besitz, beginnt.

    Dass man im GMP als Niemand beginnt, ist gut und richtig, weil man in Gothic immer als Niemand beginnt. Wir spielen hier Gothic, also muss es gut und richtig sein, als Niemand zu beginnen.


    Oder?


    Zieht man die Prämisse ,,Weil man in Gothic immer'' zur Begründung heran, kann man auch behaupten, jeder Spieler müsse sich, auf kurz oder lang, zum wahrhaft übermächtigen Drachentöter oder zum heiligen Paladin, der im Alleingang die Welt rettet, entwickeln.


    Das tut aber keiner, denn jeder weiß, dass wirkliches Rollenspiel so nicht funktionieren kann. Das Ergebnis wäre eine völlig unglaubwürdige Spielumgebung, die jeder Nachvollziehbarkeit entbehren würde.

    Doch genau so verhält es sich auch mit dem Start im GMP, mit dem Unterschied, dass es von der langjährigen Stammspielerschaft nicht als Problem wahrgenommen wird, weil sie es entweder nicht anders kennt, oder weil sie zumindest daran gewöhnt wurde, dass es ,,eben so ist''.


    Jeder ist anfangs ein ,,Hosenloser'', ein ,,Löhner'' oder ein ,,Pleb'', der sich am untersten Ende der Nahrungskette befindet. Jeder kann den neuen Charakter erkennen, weil er stets eine stereotypische Kleidung trägt. Die Reaktion auf so einen Charakter ist vorgefertigt: Du hast nichts, Du kannst nichts und wenn ich mit Dir interagiere, dann musst Du Dich vor mir beweisen.


    Viele behaupten, dass dieser Umstand RP-fördernd sei, aber das ist er in meinen Augen nicht. Ich halte ihn für ein reines Gameplay Element, das dazu dient, Fortschritt künstlich in die Länge zu ziehen und dem Spieler so einen größeren Erfolg zu suggerieren, wenn er mal etwas erreicht.


    Für RP-fördernd hielte ich es im Gegenzug, wenn dem Spieler von Anfang an die Möglichkeiten gegeben wären, einen Charakter mit all den Dingen auszustatten, die notwendig sind, um einen glaubhaften Charakter auszuspielen. Denn großartiges Rollenspiel entsteht aus der Interaktion zwischen einzigartigen Charakteren, die sich gegenseitig etwas zu bieten haben.


    Ich will mir nicht anmaßen, ein richtiges Urteil darüber fällen zu können, ob dieses oder Jenes richtig oder falsch, gut oder schlecht ist. Aber ich glaube, dass es durchaus zum Vorteil aller sein kann, sich von den alten Mustern zu lösen und gänzlich neue Ansätze zu verfolgen.


    Dazu nur eine Idee von mir, um den Start zu verändern:


    Man nehme sich ein Beispiel an einem Pen & Paper Rollenspiel, genauer gesagt daran, wie die Charaktererstellung in einem solchen von statten geht.

    Die Welt und die Geschichte bestimmen die Rahmenbedingungen. Innerhalb dieser entwirft man einen Charakter, der ein voll entwickelter Mensch sein kann.


    Nehmen wir an, ein Charakter ist 32 Jahre alt und in dieser Zeit hat er nicht nur Däumchen gedreht.

    Möglicherweise ist er als Krämer zu Reichtum gekommen, oder hat als Soldat Im Krieg gekämpft und ist so ein ganz passabler Schwertkämpfer geworden? Vielleicht ist er auch auf den Land aufgewachsen und hat weder Lesen noch Schreiben gelernt? Oder aber er ist ein Gelehrter, der in allen Dingen der Wissenschaft bewandert ist.

    Sofern dieser Charakter nicht zufällig ,,Vier Wochen unter Steinen gelegen'' hat, dürfte er etwas aus seinem Leben in das Rollenspiel mitbringen.


    Die Erstellung des Charakters kann folgendermaßen ablaufen:


    1. Handicaps

    Wähle optional eines oder mehrere Handicaps für Deinen Charakter aus. Handicaps sind vorgefertigte Nachteile, die zum Beispiel Folgende sein können:


    Analphabet: Der Charakter kann weder Lesen noch Schreiben.

    Alkoholiker: Die Regeneration von Ausdauer und Lebenspunkten wird deaktiviert, wenn der Charakter nüchtern ist.

    Kränklich: Die maximalen Lebenspunkte des Charakters sind permanent um 20% reduziert.

    Arm: Das Startkapital des Charakters wird halbiert.


    Die Auswahl von Handicaps erlaubt Dir, bis zu einem gewissen Umfang, im späteren Verlauf der Charaktererstellung, die Attribute Deines Charakters stärker zu steigern, mehr Eigenschaften oder Talente zu erwerben.


    2. Attribute:

    Jeder Charakter beginnt, sofern nicht durch ein Handicap verändert, mit jeweils 5 Punkten in allen Attributen: Stärke, Geschick, Mana.

    Zusätzlich darfst Du nun 15 Punkte frei verteilen, um die normale und individuelle, körperliche und geistige Entwicklung Deines Charakters darzustellen.


    3. Eigenschaften:

    Wähle eine begrenzte Anzahl von Eigenschaften, die bestimmte Vorteile Deines Charakters darstellen, zum Beispiel:


    Reich: Das Startkapital wird verdreifacht.

    Eiserner Magen: Der Verlust vom Lebenspunkten bei Hunger ist halbiert.

    Arkane Resistenz: Schutz vor Magie +5

    Robust: Die maximalen Lebenspunkte sind um 20% erhöht.

    Mut in Flaschen: Alle Attribute werden um 10% erhöht, wenn der Charakter Alkohol trinkt.


    4. Talente:

    Verteile 15 Lernpunkte auf Talente, um eben solche darstellen zu können, die Dein Charakter in seinem bisherigen Leben erworben hat. Das schließt Kampf und Handwerk mit ein.


    5. Ausrüstung:

    Sofern die Summe nicht durch Handicaps oder Eigenschaften verändert worden ist, erhält Dein Charakter 300 Silbermünzen Startkapital.

    Er kann mit dem Geld direkt in das Spiel starten, oder es, vor betreten der Spielwelt, in Ausrüstungsgegenstände investieren.



    Man arbeite so ein Konzept ordentlich aus und flute das Spiel alsbald mit einzigartigen Charakteren, die alle einen Nutzen haben, die Spielwelt in irgendeiner Art bereichern können und doch, um noch einmal vom Gameplay zu sprechen, nicht vollendet sind, also den Spielern hinter ihnen ein vom Fortschritt getriebenes Spiel ermöglichen, wenn die es denn möchten.


    Meine Inspiration, die ich jedem Interessierten als Lektüre ans Herz legen will, war das Pen & Paper Spiel Savage Worlds.

    Hier ist das Regelwerk.



    Liebe Grüße,

    Salentin

  • So ausgefeilt, sehe ich das als ein interessantes Thema. Das ganze umzusetzen ist natürlich einerseits eine Grundsatzfrage und ein dann noch ein riesen Aufwand. Wir werden uns wie immer dazu intern besprechen und ggf. Stellung nehmen.

  • Das erinnert mich in dem Konzept sehr an die Fallout Charaktererstellung, die ähnlichen Prämissen folgt. Eines der schönsten Elemente dieser Spielereihe... An sich eine gute Idee, die es aber vernünftig zu balancen und entwickeln gilt, denn Bethesdagames sind dafür bekannt einige Perks zu haben die einfach Meta bilden, da sie objektiv die besten sind und das System statt eine Möglichkeit zu Entfaltung, dann einfach zu einem Sprungbrett wird, weil das RP auf dem GMP faktisch eben nicht so hardcore ist/genommen wird.

    Für alles was wir hätten denken müssen, und niemals gedacht haben;

    Für alles was für wir hätten sagen müssen, und niemals gesagt haben;
    Für alles was wir hätten tun müssen, und niemals getan haben;
    Bitten wir am Ende um Vergebung.

  • Etwas erhöhte Startstats die man selbst verteilen kann ist in meinen Augen keine schlechte Idee, und würde den einzigartigen grind des GMPs ja auch nicht zerstören wenn man bedenkt wie hoch der Unterschied zwischen alten Spielern und pleps ist.

    Wo ich aber gegen bin sind ein erhöhtes Startsilber, da es einfach nur zu einer enormen Inflation führen würde.

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